18.08.12 - Verwaltung mit überholter Rhetorik
Haßfurt. Im Kreistag haben wir beantragt, die VVN-BdA Ausstellung zum Thema Faschismus in die Haßberge zu holen. Die Verwaltung riet den Gremien mit der Rhetorik des kalten Krieges davon ab. Dazu haben wir Stellung bezogen:
Jugendhilfeausschusssitzung am 19. Juli 2012.
Stellungnahme Linkes Bündnis Haßberge zur Verwaltungsvorlage zum TOP 3:
1. Es ist ein nicht akzeptabler Vorgang, dass ein Antrag, der im Landratsamt am
23.01.2012 eingegangen ist, erst ein halbes Jahr später in den Gremien des
Kreistages beraten wird. Die NSU Morde haben gezeigt, dass es gerade im Bereich
Rechtsextremismus wichtig ist, schnell und entschlossen zu handeln, bevor rechter
Wildwuchs entsteht, der nicht mehr einzufangen ist. Die Dinge auf die lange Bank zu schieben, ist ein Fehler.
2. Auch im Landkreis Haßberge gibt es dringenden Handlungsbedarf. In den
Haßbergen blüht eine rechte jugendliche Subkultur. Die Strategie des Wegsehens ist falsch. Rechtsrockkonzerte, martialische Aufzüge zu Kriegerdenkmälern in
Unterschleichach, die Schändung von Judenfriedhöfen (Ebern), der Aufzug von
Neonazis in Eltmann und das Auftreten von Rechtsextremisten an Festen (aktuell
beim Meefest) geben Anlass zur Wachsamkeit und sind genug Grund aktiv zu
werden.
3. Es muss dringend darauf hingewiesen werden, dass der Landkreis Mitglied in der
Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg ist. Bisher hat der
Landkreis Haßberge allerdings keine Aktivitäten gegen Rechts entwickelt. Selbst die Tagungen der Allianz werden kaum besucht. Der Antrag des Linken Bündnisses die Ausstellung der VVN-BdA zu zeigen war ein Versuch, aktivierend zu wirken und die Verantwortlichen an ihre Pflicht zu erinnern, zu handeln. Die Mitgliedschaft in der Allianz gegen Rechtsextremismus darf nicht zum Papiertiger verkommen, sondern muss mit Leben gefüllt werden.
4. In der Vorlage der Verwaltung werden Auszüge aus Verfassungsschutzberichten
verwendet, die mehr als zwanzig Jahre alt sind und in ihren Aussagen an die Zeiten
des kalten Krieges erinnern. Sie sind aus den Tagen, wo auch Die Grünen noch vom
Geheimdienst beobachtet wurden. Das heißt die Berichte sind antiquiert. Sie aus den Archiven zu zerren ist ein unglaublicher Vorgang.
5. Das der bayerische Verfassungsschutz aus ebenfalls ideologischen Gründen
immer noch die VVN-BdA als älteste Opferorganisation im Verfassungsschutzbericht
denunziert, ist nicht nur Linken ein Dorn im Auge. Auch die SPD in Bayern und die
bayerischen Grünen kritisieren die Verfassungsschützer und bezeichnen die
Aussagen des Verfassungsschutzes als einen Fehler.
6. Der Verfassungsschutz selbst hat sich im Thema Rechtsextremismus nicht mit
Ruhm bekleckert. Das zeigt der Totalausfall bei den NSU-Morden, deren Spuren
auch nach Bayern (Coburg) und möglicherweise sogar in die Haßberge (Kontakte
nach Coburg über das Freie Netz Süd) führen. Nicht zu Unrecht wird derzeit
diskutiert, den Verfassungsschutz umzubauen, oder sogar abzuschaffen. Die
Verfassungsschützer als Kronzeugen gegen einen Opferverband aus der Nazizeit zu
verwenden ist in den heutigen Tagen geradezu absurd.
7. Die Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ wird von den Gewerkschaften
mitgetragen. Sie wurde in vielen Schulen in Deutschland gezeigt. Auch an
bayerischen Schulen. Sie ist eine der kompetentesten Zusammenstellungen, die es
derzeit zum Thema gibt.
8. Den in der Verwaltungsvorlage zitierten Zusammenhang zwischen
Konservatismus und Neofaschismus herzustellen, ist nicht aus der Luft gegriffen.
Quasi vor unserer Haustüre finden beispielsweise regelmäßig in Bad Kissingen am
Heiligenhof Zusammenkünfte der der IWWK (Internationalen Willi-Wanka-Kreises)
statt. Hierüber wurde schon im Spiegel berichtet. Stellvertretender Vorsitzender des Heiligenhof Trägervereins ist der ehemalige Bundesvorsitzende des Witikobundes (Rechte Sudetendeutsche Vereinigung), Reinfried Vogler. Geschäftsführer ist der CSU-Ortsvorsitzende von Bad Kissingen, Steffen Hörtler. Die antisemitische und nationalistische Ideologie des IWWK dürfte den Herren bekannt sein.
9. Es geht uns um die Sache. Wir glauben, dass es notwendig ist, in breiten
zivilgesellschaftlichen Bündnissen gegen Rechts aktiv zu werden. Das ist auch im
Sinne der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, in der
der Landkreis Haßberge Mitglied ist.
10. Wir halten die VVN-BdA Ausstellung weiterhin für sehr geeignet, um sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Um aber einen breiten Konsens in den Gremien des Kreistages herzustellen und der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, die Ideologie beiseite zu legen, schlagen wir alternativ vor, die Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Rechtsextremismus in Bayern“ in den Landkreis Haßberge zu holen und so die Mitgliedschaft des Landkreises in der Allianz gegen Rechtsextremismus mit Leben zu füllen.